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Artikel im Handelsblatt – Interview mit Ralf Gasche

Wer heute sagt: „Ich brauche einen Coach“, zeigt nicht Schwäche, sondern Verantwortung.


 

Coaching öffnet den Raum für eigene Erkenntnis
Ralf Gasche war Kriminalbeamter und coacht heute Top-Manager. Ein Gespräch über den Wert von Erfahrung, Coaching als Beruf und die Herausforderungen in disruptiven Zeiten.

Sven Prange 28.08.2025 - 17:17 Uhr Düsseldorf. 


Herr Gasche, in Ihrem beruflichen Profil listen Sie eine ganze Reihe von Qualifikationen und Mitgliedschaften auf. Für Außenstehende wirkt das zunächst ungewohnt umfangreich. Warum ist das notwendig?
Das liegt in der Natur unserer Arbeit. Ein Ingenieur kann seine Konstruktionen zeigen, ein Architekt Gebäude. Wir Coaches haben keine greifbaren Produkte. Unsere Kompetenz muss sich also anders vermitteln – durch Zugehörigkeit zu renommierten Verbänden, durch fundierte Ausbildungen, durch Referenzen und publizierte Arbeitsproben. Wir nennen das: Kompetenzvermutung schaffen. Das wirkt manchmal wie Marketing, obwohl mir selbst das gar nicht liegt. Ich bin eher ein Coach im klassischen Sinne: zurückhaltend, den Raum öffnend, nicht im Mittelpunkt stehend. Aber in einer Branche ohne Berufsschutz und mit vielen schwarzen Schafen müssen die Seriösen zeigen, wofür sie stehen.

Sie selbst kommen aus einer ganz anderen beruflichen Welt. Wie verlief Ihr Weg zum Coaching?
Ich war 23 Jahre im Staatsdienst: bei der Bundeswehr, beim Bundesgrenzschutz, später beim Bundeskriminalamt. Ich habe auf Bundeskanzler Kohl aufgepasst, habe Tatortarbeit gelernt, war in der Terrorabwehr und in der Bekämpfung organisierter Kriminalität. Ich habe Kriminalistik, Kriminologie, Psychologie und Verwaltungswissenschaften studiert, war lange in hochbelasteten Situationen. Und dann kam der Punkt, an dem ich nicht mehr konnte. Ich hatte einen Burn-out. Mein Fehler: Ich konnte nicht Nein sagen. Und so stand ich vor der Frage: Was mache ich mit dem Rest meines Lebens?

Und Sie entschieden sich für einen radikalen Neuanfang.
Ja. Ich wurde pensioniert und habe mir die Erlaubnis geholt, mich selbstständig zu machen. Heute arbeite ich seit über 25 Jahren als Coach. Mein zweites Berufsleben dauert damit länger als das erste. Von Anfang an war mir klar: Ich möchte aus meinen Erfahrungen etwas machen, das anderen hilft. Ich habe Ausbildungen absolviert, unter anderem bei Christopher Rauen, einem der renommiertesten Anbieter. Ich wollte das Handwerk von Grund auf lernen.

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Vita: Der Beamte 
Ralf Gasche arbeitete jahrelang beim Bundeskriminalamt. Zwischenzeitlich zählte er zu den Personenschützern von Helmut Kohl, arbeitete auch in der Terrorismusfahndung.

Vita: Der Coach   
Seit 2001 ist Gasche mit einem Coachingunternehmen für Top-Führungskräfte selbstständig. Er ist Präsident der International Organization for Business Coaching und Senior Coach des Deutschen Bundesverbands Coaching. Gasche setzt sich für vergleichbare Standards bei Coaching-Angeboten ein.

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Ist Ihr eigenes Scheitern der Grundstein für Ihre heutige Arbeit?
Scheitern kann eine Tür öffnen. Aber allein reicht es nicht. Ich kenne viele, die glauben, ein Burn-out mache sie automatisch zum Coach. Das ist ein Trugschluss. Was wirklich zählt, ist die Fähigkeit zur Reflexion, das Lernen daraus – und die Bereitschaft, sich ausbilden zu lassen. Coaching ist ein Beruf. Ohne Methodenkompetenz, ohne ethisches Fundament, ohne Supervision geht es nicht. Ich selbst bin in mehreren Verbänden aktiv, bilde seit über zehn Jahren Coaches aus und erlebe immer wieder: Der Beruf erfordert Demut. Und Reife.

Was unterscheidet einen professionellen Coach von einem selbst ernannten Anbieter?
Ganz klar: Ausbildung, Erfahrung, Reflexionsvermögen und eine ethische Haltung. Es gibt viele, die mit vollmundigen Versprechen auftreten – 30.000 Euro, und du bekommst ein fertiges Business-Konzept. Das ist für mich kein Coaching, sondern reines Verkaufsgebaren. Leider werden solche Angebote auch medial nicht immer klar getrennt von echtem Coaching. Wir, die seriösen Anbieter, zahlen dafür einen Preis. Gute und seriöse Coaches findet man in renommierten Verbänden, die ihre Qualitätsanforderungen offen darlegen. Wir arbeiten eng zusammen daran, mehr Sichtbarkeit und Klarheit zu schaffen, um die Spreu vom Weizen unterscheiden zu können.

Wie schaffen Sie Transparenz für Ihre Klienten?
Indem wir offen kommunizieren: Was ist Coaching? Was ist es nicht? Was darf ein Klient erwarten? Wir erklären, was unsere Standards sind, welche Ausbildungen wir haben, welchen ethischen Kodex wir verfolgen. Gute Coaches erkennen Sie daran, dass sie erklären können, warum sie tun, was sie tun, und welche Wirkung sie erzielen können. Wir überzeugen mit Haltung, Transparenz und zielorientierter Arbeit. Und: Ein guter Coach weiß, wann er nicht der richtige ist.

Das bedeutet: Ein Coach passt nicht zu jedem Klienten?
Exakt. Es braucht ein Matching. Es geht nicht um Alter oder Status, sondern um Zielklarheit und Resonanz. Wenn ein junger Coach eine Top-Führungskraft begleitet, kann das funktionieren – wenn beide ein gemeinsames Ziel haben. Wenn aber jemand erwartet, dass der Coach ihm sagt, was zu tun ist, ist das ein Missverständnis. Coaching öffnet den Raum für eigene Erkenntnis, nicht für Ratschläge.

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Die Frage ist oft: Wie bleibe ich stabil in instabilen Zeiten?

Ralf Gasche

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Was sind derzeit häufige Anliegen in Ihren Coachings?
Transformation. Viele Führungskräfte sind mit Veränderungsprozessen konfrontiert, die sie kaum noch überblicken: neue Systeme, neue Rollen, neue Erwartungen. Die Frage ist oft: Wie bleibe ich stabil in instabilen Zeiten? Wie kann ich gut führen, wenn ich selbst orientierungslos bin? Hinzu kommen Fragen des Rollenwechsels: Soll ich zurücktreten? Mich neu erfinden? Und dann begleiten wir Prozesse, in denen auch mal das Loslassen im Mittelpunkt steht.

Wie offen sind Unternehmen für solche Begleitungen?
Die größeren sind meist sehr offen. Dort ist Coaching Standard, eine Ressource zur Weiterentwicklung. In mittelständischen Unternehmen gibt es mehr Zurückhaltung, dort fürchten Führungskräfte eher um ihr Gesicht. Aber auch da wandelt sich viel. Wer heute sagt: „Ich brauche einen Coach“, zeigt nicht Schwäche, sondern Verantwortung.

Gibt es auch Grenzen? Situationen, in denen Coaching nicht hilft?
Ja. In toxischen Kulturen, in denen keine Bewegung möglich ist. Wenn die Sonne von oben nicht scheint, bleibt es unten düster. Dann kann Coaching keine Wunder bewirken. Auch bei Menschen, die keinen Veränderungswillen zeigen, sich selbst überschätzen oder tiefer liegende psychische Problematiken aufweisen, ist Coaching kaum möglich oder nicht angezeigt. Wir klären das in intensiven Erstgesprächen. Unsere Verantwortung ist, ehrlich zu sagen, wenn ein Auftrag keinen Sinn ergibt oder sogar kontraindiziert ist.

Wie sehr ist Coaching Modeerscheinungen unterworfen?
Wir beobachten viele Trends: agiles Führen, transformative Leadership, VUCA-Kompetenz. Ich halte es für unsere Pflicht, informiert zu sein. Aber wir müssen nicht jedem Trend folgen. Die Grundfragen bleiben: Wie führe ich mich selbst? Wie treffe ich gute Entscheidungen? Wie bleibe ich bei mir? Und wie handle ich wertebasiert in komplexen Systemen?

Wer bucht Sie üblicherweise: das Unternehmen oder der einzelne Mensch?
Beide. Manchmal kommt HR mit einem Poolbedarf, manchmal sucht eine Führungskraft diskret für sich. Immer häufiger auch Menschen, die den Rückzug aus der Führung vorbereiten wollen. Unser Auftrag ist immer: den Menschen und den Prozess begleiten, nie das Ziel vorgeben.

Haben Sie selbst Coaching in Anspruch genommen?
Selbstverständlich. Ich musste lernen, Nein zu sagen, auf mich selbst zu achten. Was man nicht kennt, kann man nicht vermitteln. Gute Coaches arbeiten ständig an sich. Ohne Selbstreflexion geht nichts.

 

Herr Gasche, vielen Dank für das Interview.
Erstpublikation: 21.08.2025, 15:02 Uhr.

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